Dürrbrunn – ein kleines Dorf mit langer Geschichte und doch sehr lebendig
von Rolf Pätschinsky
Was du net, wo Dürrbrunn licht?
Dürrbrunn licht am Rängla,
und wenn die Hulzbirn zeiti san,
dann lafens mit die Schdengla!
Ein überliefertes Spottlied – ein Kinderlied – ein Abzählreim oder eine heimliche Hymne auf Dürrbrunn – wer weiß es? Und doch beschreibt es in wenigen Worten die Lage und die Einmaligkeit dieses kleinen Juradorfes vom Tal bis auf die steinige Höhe. Kurz: Dürrbrunn kann man nicht beschreiben - Dürrbrunn muss man mit allen Sinnen erlebt haben. Dank einer akribisch geführten Chronik und intensiver Nachforschung von August Schaduz, seines Zeichens Oberlehrer und Schulleiter der Dorfschule von 1935 bis 1951 und ergänzt mit zeitnahen Aufzeichnungen seines Nachfolgers Franz Georg Turek kann die „sagenhafte“ Geschichte einer kleinen Gemeinde mit nur einigen wenigen hundert Einwohnern in einer steinreichen und mühsam zu bearbeitenden Landschaft des fränkischen Juras nachvollzogen werden.
Nachfolgend einige der wichtigen Extrakte aus den historischen Aufzeichnungen:
Die älteste schriftliche Erwähnung datiert im Jahr 1334. Darin wurde festgehalten, dass der Adelige Walther Hetzelsdorfer das Gut Tuerbrunn an die Frau Äbtissin Adelheid zu St. Theodor in Bamberg verkauft habe. In einer fast gleichlautenden Urkunde um 1385 des Claraklosters Bamberg werden haussässige Mannschaften (Familien) genannt. Um 1400 treten auch zuweilen die Herren von Aufseß als Grundherrn in Dürrbrunn auf.
War auch das Los seiner Bewohner – überwiegend Bauern – mehr als rosig, so belegen doch Aufzeichnungen, die sie in einem recht menschlichen Verhältnis zu ihrem Grundherrn zeigen. Nach einer Lehensrechnung aus dem Schlosse Greifenstein weist man dem Kunz Dhöllen von Dürrbrunn eine Maß Wein zu und erklärt ausdrücklich, dies sei geschehen, „dieweilen er kein Bier trinket!“
Auch von den Wirren zahlreicher kriegerischer Auseinandersetzung in deutschen Landen wurde das Juradorf nicht verschont. 1679 – lange nach Abschluss des Westfälischen Friedens werden in Dürrbrunn noch allenthalben Soldaten und Marodeure angetroffen. Im Dorfe sitzt ein Amtmann mit seiner ganzen Kompanie. 1812 zog Napoleon auf seinem Wege nach Russland mit einer Hauptmacht in nächster Nähe vorbei. 21 Söhne und Töchter schickte das kleine Dorf 1836 als Auswanderer nach Nordamerika und 1945 ergoss sich ein starker Panzerverband der Amerikaner über die Lange Meile durch das Tal. Eine Nacht bezog man Quartier im Dorfe. „Im Schulhaus nächtigten 5 Offiziere! – Zerstörungen waren von kleinen Schrammen nicht zu verzeichnen!“ Das kärgliche dörfliche Leben nahm in der Zeitgeschichte seinen Lauf.
Zusammen mit Volkmannsreuth bildete man eine gemeinsame Gemeinde bis zum Jahre 1972. Im Zuge der großen bayerischen Gebietsreform trennten sich die Wege. Volkmannsreuth kam zu Heiligenstadt und die Dürrbrunner entschieden sich unter ihrem letzten Bürgermeister Hans Rascher (v. 1946 bis 1972) für Unterleinleiter. Seit dieser Zeit bilden Unterleinleiter und Dürrbrunn eine feste und harmonische Gemeinschaft ohne das eigene Gesicht und die dörfliche Ausstrahlung verloren zu haben.
Dürrbrunn weist bereits in seinem Namen auf die Wasserknappheit im Juragelände hin. Daher spielten Brunnen zur Linderung der Wasserknappheit in trockenen Zeiten immer eine lebenswichtige Rolle. Zahlreiche Namen aus der alten Chronik sind ein sicherer Beleg. Hier nur einige Beispiele aus den 23 Aufzeichnungen Dürrbrunner Brunnen: Der „Schilloxenbrunnen“ (Haus Nr. 29) (Schildofen - ein mit Brettern überdachter Kachelofen alter Bauart, zugleich Schlafstelle). Früher erzählte man den Kindern, die Quelle laufe direkt aus der Ofenröhre! Oder der Melmbrunnen (Quelle im Lohr), die Kellerbrunnen (Quellen aus 3 Kellern, rechts neben der Kapelle), der Wachbrunnen am Kolmhof. Noch heute Dorfmittelpunkt ist der „Geuder“. Er entspringt als periodische Quelle aus dem Felsen unterhalb des alten Schulhauses und diente bis zum Jahre 1931 als einzige brauchbare Wasserversorgung des Dorfes. Seinerzeit floss das Wasser noch ganzjährig je nach Niederschlagsmenge spärlich bis aufbrausend, dabei untere Dorfteile überflutend. „Geuder = Vergeuder, Verschwender soll besseren Geschmack haben als das Wasser anderer Quellen und die Eigenschaft, beim Kochen keinen Kalk abzusetzen. Bei Schneeschmelze und starken Niederschlägen sind die Ausbrüche wild tosend und mit starkem Druck. Wahrscheinlich handelt sich um einen Überlauf eines großen unterirdischen Wasserbeckens“ In einer alten Zeitungsnotiz ist nachlesbar: „ Der erste Junisonntag des Jahres 1932 war für das stille Gebirgsdorf Dürrbrunn ein großer Freuden- und Festtag, denn es galt, die neuerbaute Wasserleitung feierlich einzuweihen. …Am Ortseingang des Kolmhofs, wo die in den letzten Wochen neuerbaute Dorfstraße ihren Anfang nimmt, wurde unter den beiden Dorflinden eine Gedenktafel errichtet, deren Inschrift lautet. – Wasserleitung Dürrbrunn erbaut mit Hilfe der Kreisstiftung Oberfranken 1931. … Im Ort wurden etwa 40 Haushaltungen angeschlossen und außer den Hydranten vier öffentliche Brunnenstöcke aufgestellt. Heute ist Dürrbunn „wasssermäßig“ mit der Marktgemeinde Heiligenstadt verbunden.
Eine weitere Eigenart gibt es nur in Dürrbrunn. Die örtliche Dorfkapelle untersteht nicht der Pfarrei Unterleinleiter, sondern liegt voll in den Händen des örtlichen Kapellenbauvereins. Dieser Verein hat das komplette Verfügungs- und Hausrecht. Lediglich die pfarrliche Versorgung erfolgt durch die kath. Kirchengemeinde St. Peter und Paul zu Unterleinleiter. Wann in Dürrbunn erstmalig eine Kapelle errichtet wurde lässt sich nicht nachweisen. Bis 1811 gehörte man zur Pfarrei Drügendorf. Erwähnt wurde eine Kapelle 1867. Hier wurde mit 130 Gulden gegen Feuerassekuranz und mit 180 Gulden in Feuermobiliar versichert. Weitere Erwähnung folgte im Jahre 1885/86. Hier fand eine Erweiterung statt, die bis zum Jahre 1951 hielt. Der Abbruch erfolgte am 6. Juni 1951 und in Eigeniniative der Ortsbevölkerung entstand die noch heute stehende Kapelle an der Dorfstraße.
Neben dem Kapellenbauverein bestimmt die Freiwillige Feuerwehr als aktive Wehrgruppe und Verein das Dorfleben. Ihr Dorffest gehört zum festen Bestandteil neben der Kerwa am ersten Oktobersonntag. „Ausgewandert“ nach Unterleinleiter ist allerdings ihr Fußballverein. Aber nach wie vor bleibt Dürrbrunn Spitze in der Namensführung mit Spielvereinigung Dürrbrunn-Unterleinleiter. Unbedingt erwähnenswert ist der Anfangssatz in der Gründungschronik: „Der 29. Mai 1968war für die damals noch selbständige Gemeinde Dürrbrunn ein denkwürdiger Tag. An diesem Maienabend war im Gasthaus „ Zur Linde „ war fast kein Platz frei. Eine sportfreudige Jugend wartete gespannt auf das große Ereignis. Mit Unterstützung des Bürgermeisters und zwei in der Materie bewanderte wurde die Spielvereinigung Dürrbrunn geboren. Am Gründungsabend stellten 36 Mitglieder den Stamm der SpVgg“.
Aktuell ist die Lebendigkeit der Dürrbrunner in jeder Phase spürbar. Dank Mobilität ist von einer Isolation nicht zu spüren. Jedoch sind die Wurzeln des dörflichen Zusammenhalts an allen Ecken und Enden zu erkennen. Bemerkenswert ist, dass hochgerechnet die Dürrbunner die Geburtenrate von Unterleinleiter übertreffen, ebenso haben sie beim Bau von Eigenheimen die Nase vorn. Fazit: Wer echte Dürrbunner Wurzeln und Gene in sich hat, den treibt es nicht so schnell in die „Fremde“.
Eine „sagenhafte“ Dorfchronik in Kurzfassung darf nicht ohne eine Überlieferung enden:
Noch in heutiger Zeit erinnern in Form einiger unbehauener Steine als Denkmal auf dem alten Schulwege von Dürrbrunn nach Drügendorf an ein winterliches Geschehen in vergangener Zeit. Einst hatten sich bei einem Schneesturm auf dem Schulwege sieben Kinder verirrt. Man fand später die erfrorenen Leiber als Gruppe zusammengekauert am Wegesrand liegen. Noch heute kann man als Wanderer an dieser Stelle in stürmischer Winternacht das klägliche Weinen der Kinder vernehmen. Der Gedenkstein wurde auf Veranlassung und der Idee von Elisabeth Turek im Rahmen der abgeschlossenen Flurbereinigungsaktion an der bewussten Stelle aufgestellt.
Zusammengestellt aus Aufzeichnungen von August Schaduz und Franz Georg Turek, beide ehem. Schulleiter in Dürrbrunn.